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Webfontday 2010 #wbfntdy – Ein Bericht

Eintrag erstellt am 14 Nov 2010

webfontday

Am gestrigen Samstag fand in München der erste Webfontday statt, organisiert, von der Typographischen Gesellschaft München.

Der ein oder andere wird sich jetzt sicher erstmal fragen, was zur Hölle denn ein „Webfontday“ ist? Kurz gesagt es geht darum „Wie das jetzt mit den Schriften im Web ist“, was neben dem Einsatz von Systemschriften wie z.B. Arial und Verdana möglich ist.

Mehr Infos zum Konzept der Veranstaltung auf der offiziellen Website. Im Folgenden will ich versuchen, den Tag aus meiner Sicht zusammenzufassen und einen Überblick zu geben.

#1 – Fred Smeijers

Um die 250 Teilnehmer hat sich am Samstagmorgen in München eingefunden und lauschten nach der Begrüßung durch Boris Kochan (@incfish) (bei der vor allem die Kommentare auf der Twitterwall für Schmunzeln sorgten) der Keynote von Fred Smeijers mit dem Titel „Webtypografie im Wandel“.

Er führte uns von den Anfängen der Schrift auf dem Medium Bildschirm (Techniker als Anwender) über die Einführung von DTP mit grandiosen Auflösungen von 3px pro mm, zu den Themen Rasterisierung und Hinting (was seiner Meinung nach eine Notlösung ist und viel zu viel Zeit verschlingt). Weiter ging es mit der Etablierung von Grauwerten in der Bildschirmdarstellung bis hin zu aktuellen Entwicklungen: Bildschirmgrößen wachsen bzw. schrumpfen (Mobile), Auflösungen steigen, aktuellstes Beispiel das Retina-Display des iPhones mit seinen 326 dpi. Seine These: Der Bildschirm ist mittlerweile fast das gleiche wie Papier – Welten verschmelzen.

#2 – Ralf Herrmann

Weiter ging es mit Ralf Herrmann (@opentype), der den Kampf der Webformate erläuterte. Er begann mit den Anfängen des Webs 1990, als Inhalt nur aus strukturiertem Text bestand und man keinen Einfluss auf die Gestaltung hatte. 1996 kam mit CSS die Trennung von Inhalt und Gestaltung und 1998 schließlich die erste Einführung der @font-face Regel, welche es ermöglichte downloadbare Schriften zu verwenden. Das größte Problem damals war allerdings noch die Darstellung dieser Schriften, weshalb der Ansatz schnell wieder verschwand.

2008 feierte schließlich @font-face mit der Veröffentlichung von Safari 3.1 sein Comeback. Mit der Neuerung, dass auch so genannten RAW-Fonts (also True-Type oder Open-Type Schriften) direkt unterstützt werden. In den 10 Jahren die seit dem ersten Versuch vergangen sind hat sich die Schriftdarstellung am Bildschirm stark verbessert. Das gibt uns viele neue Möglichkeiten: stilistische Freiheiten, Corporate Design im Web einsetzbar, Sprachunterstützung, markierbaren Text, das problemlose Verkleinern und Vergrößern von Websites.

Im Folgenden ging er auf die Lagerbildung zwischen den Browser- bzw. Schriftherstellern ein. Microsoft mit dem Internet Explorer und ihrem EOT-Format, Mozilla und Safari mit Raw-Fonts und die Schriftenhersteller die alles wollen – bloß keine Raw-Fonts. Schließlich noch das größte „Lager“: die Benutzer, die daran wenig Spaß haben, was er an dem Beispiel „Fuck the Foundries“ beispielhafte darstellte.

2009 kam schließlich die Lösung mit der vorerst alle Beteiligten mehr oder weniger glücklich sind: das WOFF-Format.

Im Weiteren erläuterte Ralf die Unterschiede zwischen Webfontdiensten und dem eigenen Hosten von Fonts, und ging auf die unterschiedlichen Lizenzmodelle ein. Seiner Meinung nach sind Webfonts in der Realität angekommen. Das große Problem sei aber aktuell noch das Rendering unter Windows, letztendlich sei aber auch das nur eine Frage der Zeit.


#3 Gerrit van Aaken

Als nächster war Gerrit van Aaken (@gerritvanaaken) von praegnanz.de (Mit „Flash ist die Atomkraft der Videotechnologien im Web“ T-Shirt) dran. In einem recht kurzweiligen Vortrag zeigte er Anwendungsbeispiele von Webfonts, bzw. eher Demos, da Gerrit richtig feststellte, dass es sich dabei hauptsächlich um Selbstreferentialität von Designern handelte. Sein Zwischenfazit: Echte Websites gehen anders!

Als Entwicklungen im Webdesign im Zusammenhang mit Webfonts stellte er folgendes fest:

  • Layout entweder zupackend oder minimalistisch
    -> moderne Art Websites zu gestalten
  • Schriftgrade sehr groß (mit der Feststellung, dass die Systemschriften wie Arial in großen Schriftgrad recht bescheiden aussehen)
  • sehr fette und sehr magere Schriften im Einsatz

Anschließend zeigte er uns noch einige „echte“ Beispiele, wie twittermedia, For the Record, Idaho Digital Learning und das Arrows and Icons Magazine. Wobei auch hier festzustellen war, dass diese Seiten inhaltlich auch auf eine „designaffine Avant-Garde“ beschränkt sind.

Gerrit stellte die Frage woran dass den liegen mag:

Gegenbeispiele:
NY-Times, Steinway, Icon Products

Zum Abschluss stellte er noch drei Thesen auf:

  • Webfonts lohnen sich vor allem in großen Schriftgraden
  • Das Aufrüsten von traditionellen Websites mit Webfonts ist unbefriedigend
  • Webfonts erfordern ein neues Webdesign-Paradigma bzw. das modernes-Webdesign-Paradigma erfordert Webfonts

Wenig Sinn machen aus seiner Sicht Experimente wie z.B. die Lost World Fairs.

Ansonsten gab er noch einige Anwendungs-Tipps aus seiner Erfahrung: keine Webfonts unter 14 px, lieber selbst testen als sich auf die Typekit-Vorschau verlassen und das Ausschließen von XP-Nutzern denn „die wollen es auch nicht anders“. Schönes Schlusswort.

Er selbst hat seinen Erfahrungen vom gestrigen Tag auch selbst in seinem Blog zusammengefasst.

#4 – Erik van Blokland

Anschließend war Erik van Blokland (@letterror) an der Reihe. Unter dem Titel „Action type!“ erzählte er von seinen ersten Versuchen mit Webfonts im Jahre 1996. Im weiteren Verlauf erläuterte er Details des WOFF-Formats, und das Zusammenspiel mit CSS und Javascript. Er merkte an, dass der IE9 auch WOFF unterstützten wird, und hofft dass auch Safari nachzieht. Apple hat sich seinen Informationen nach jedenfalls noch nicht gegenteilig geäußert. Amüsant dabei seine Bemerkung zu der W3C-Working-Group, in der unter anderem auch Apple beteiligt ist: „working with Apple in a W3C working group is like working with the Gremlin (they sit and listen but say nothing)“.

#5 – Olaf Nies

Im nächsten Beitrag wurde es etwas praktischer und auch kritischer. Olaf Nies (@pepperminded) berichtete in seinem Beitrag „Schöne, neue Welt? – Webfonts in der Praxis“ von seinem Versuch das Corporate Design eines Kunden auch auf die Website zu übertragen. Konkret ging es dabei um die Schrift FF Dax und deren Condensed-Variante.

Olaf zeigte uns die Herangehensweise an das Thema und schließlich den Praxistest: Wie sieht die Dax auf den unterschiedlichen Systemen aus? Während alle bisherigen Beispiele auf Mac OS X beschränkt waren, kam hier auch die bittere Windows-Realität zum Vorschein. Letztendlich entschied er sich in diesem Fall auf Grund der schlechten Darstellung gegen den Einsatz von Webfonts. Im Anschluss an den Vortrag entwickelte sich schnell eine sehr rege und interessante Diskussion. Ein Punkt dabei war, dass sich eben nicht jede Schrift für die Bildschirmdarstellung eignet, was auch Ivo Gabrowitsch von Font Shop International als Vertreiber der Dax anmerkte. Im besonderen gilt das für Condensed Varianten.

Das Fazit des Vortragenden und des Publikums: Bei der Entwicklung eines Corporate Designs und der Auswahl einer Schrift muss der Einsatz auf Bildschirmen ein Punkt sein der auf jeden Fall berücksichtigt wird. Eine neue Aufgabenstellung für Designer.

#6 – Marc Tobias Kunisch / Google

Als nächstes war Marc Tobias Kunisch (@tobestobs) von Google dran, der dem Publikum das kostenlose Google Font Directory vorstellte. Eigentlich ein interessantes Thema aber für den Großteil des Publikums brachte dieser Vortrag leider keine neuen Erkenntnisse. Einzig zwei Punkte sorgten im Nachhinein noch für Diskussionen: Ist es ok, dass Google Schriften umsonst anbietet? Hierzu gab es verschiedene Meinungen. Angemerkt wurde auch, dass Google keine Konkurrenz zu den Profis wie typekit oder Fontshop sein will, sondern eher eine Einstiegsmöglichkeit für junge Typedesigner, die auch finanziell unterstützt werden können. Auf Kritik stieß auch, dass einige Schriften im Google Font Directory „Halb-Nachahmungen“ von schon existierenden Schriften seien.

#7 – Ivo Grabowitsch / Font Shop International

Für reichlich Unterhaltung sorgte dann der schon angesprochene Ivo Grabowitsch (@gabrowitsch) von FSI mit diversen Beamerproblemen, die er in seiner sehr sympathischen Art und Weise (und mit Hilfe von Gerrit) aber sicher meistern konnte. Ivo hatte die etwas undankbare Aufgabe die Lizenzierungsmodelle für Webfonts darzulegen. Ein recht trockenes Thema, das er aber trotzdem recht unterhaltsam darlegte (Zum Beispiel den möglichen Zusammenhang zwischen Webfonts und der Tabellenführung von Borussia Dortmund).

Auf die konkreten Modelle will ich auch nicht weiter eingehen, die Informationen gibt es auf den Seiten der jeweiligen Anbieter. Sein Fazit: Das WOFF-Format und das Abrechnungsmodell auf Grundlage von Pageviews/Monat werden sich durchsetzen. Seine These: In 10 Jahren wird es keine Web- oder Desktopfonts geben, sondern einen einheitlichen Font für alle Medien. Ich persönlich hoffe, dass das nicht ganz so lange dauern wird.

#8 – Tim Brown / Typekit

Der nun folgende Typekit-Vortrag von Tim Brown (@tbrown) setzte leider nahtlos am Google-Vortrag an … auch hier wenig Neues für das Publikum.

#9 – Tim Ahrens

Ganz anders sah das aus mit Tim Ahrens (@TimAhrens), der den wohl kompetentesten und detailreichsten Vortrag des Tages hielt. Er ging auf die Details der Verpackung von Webfonts ein und erzählte viel über Rendering und Hinting. Anhand von Beispielen zeigte er den Unterschied zwischen Graustufen-Rendering und Subpixel-Rendering und erläuterte den jeweiligen Einsatz. Interessant dabei, dass das Graustufen-Rendering unter Windows XP mit unter zu besseren Ergebnissen führt als das Subpixel-System Clear-Type. Möglich wird das, in dem man Postscript-Versionen der Schriften verwendet. Auch beim Hinting wurde es sehr detailreich was in der Diskussion schließlich zu seiner Feststellung führte, dass ihm Hinting „fast Spaß mache“.

Sein Fazit: Spätestens beim wbfntdy3 können wir hoffentlich endlich über andere Dinge als Clear-Type und Windows reden.

#10 – Gerard Unger

Den vorläufigen Abschluss des Abends gestaltete Gerard Unger mit seiner sehr weisen Sicht auf das Thema. Er zeigte auf, dass sich in unserem Beruf alles ständig ändert – das sei die Praxis des Gestalters. Er erzählte außerdem, dass 2010 erstmals mehr auf dem Bildschirm als auf dem Papier gelesen wurde, was natürlich für Designer ein sehr wichtiger Fakt ist. Papier wird seiner Meinung langsam an die zweite Stelle rücken und die Benutzer werden sich schnell an neue Medien gewöhnen. Für sich weiß Gerard Unger jedenfalls, dass er in seinem Leben „schon genug gepixelt hat“, und das auch schon auf Papier tat.

Einen Appell richtete er zum Abschluss noch an alle Schriftgestalter: Wir brauchen neue Richtungen in der allgemeinen Schriftentwicklung. Seiner Meinung werden Schriften immer ähnlicher – zu ähnlich. Auch wenn der ein oder andere hier vielleicht den konkreten Webfont-Bezug etwas vermisste, bin ich Gerard Unger doch sehr dankbar für seine Einsichten die er uns gewährte.

Diskussion

Das waren die Vorträge des Webfontdays. Im Anschluss gab es noch eine von Adam Twardoch geleitete Podiumsdiskussion, in der noch mal allgemein über das Thema diskutiert wurde. Zum Beispiel ging es um die Frage ob es Schriften speziell für den Bildschirm geben wird bzw. geben muss, oder wie denn überhaupt die Kriterien für so eine Schrift aussehen würden. Einig waren sich alle, dass die oben schon erwähnte These von Ivo hoffentlich Realität wird und es irgendwann nur noch eine Art von Fonts geben wird.

Fazit

Das war jetzt relativ viel Text, aber bei weitem nicht alles was man gestern erfahren konnte. Insgesamt ein lohnenswerter Tag in München, der für mich zwar nicht all zu viele wirklich neue Erkenntnisse brachte, aber trotzdem das Bewusstsein für dieses Thema weiter gestärkt hat.

Danke an die Organisatoren und Vortragenden – ich bin gespannt auf einen zweiten Webfontday und die bis dahin hoffentlich spannende Entwicklung.

Mehr Meinungen gibt es in einem Beitrag bei praegnanz.de oder auf Twitter

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